Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal by Bettina Hennig

Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal by Bettina Hennig

Autor:Bettina Hennig
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783548373539
Herausgeber: Ullstein
veröffentlicht: 2011-01-07T23:00:00+00:00


Fallbeispiel 7: Der Frühaufsteher im Staatsdienst

Niemand, der nicht von Haus aus den masochistischen Drang zum frühen Aufstehen verspürt, begibt sich freiwillig in den Staatsdienst. Hier beginnt der Tag nämlich grundsätzlich um acht, was genaugenommen bedeutet: Aufstehen um halb sieben, danach nervige Staus und vollgepackte U-Bahnen. Und das ein Leben lang.

Es könnte dem Langschläfer, tolerant wie er ist, an sich ja egal sein, wie andere ihr Leben gestalten. Leider aber sind die Berührungspunkte zwischen Langschläfern und Frühaufstehern im Staatsdienst so neuralgisch, dass selbst der großmütigste Langschläfer mit der Beamtenspezies über Kreuz kommt. Denn dieser Typus ist nicht nur Frühaufsteher – die Kernschmelze mit seinem Dasein als Staatsdiener potenziert seine Widerwärtigkeit ins Unermessliche. Ist ein Frühaufsteher an sich einfach nur pedantisch, ist der Frühaufsteher im Staatsdienst die kristalline Form des Pedanten. Er ist der König aller Korinthenkacker und kann vor Engstirnigkeit kaum aus den Augen sehen. Am liebsten nimmt er die Langschläfer aufs Korn: Sie sind sein natürlicher Feind, weil sie aus Sicht des Frühaufstehers alles verkörpern, was er hasst: Faulheit, Trägheit, Schlafmützigkeit. Und sie schlafen lang, was sich von selbst verbietet. Er würde sie am liebsten mit strengsten Erziehungsmaßnahmen zur Vernunft prügeln. Aber ihm sind andere Mittel der Schikane gegeben, und die nutzt er aus: Er nötigt dem Langschläfer schon zu nachtschlafender Zeit das Ausfüllen komplizierter Formulare ab, verstrickt ihn bei der Abfrage von Daten in Widersprüche und zieht ihn ohne Gnade für angebliche Fehler zur Rechenschaft. Er mahnt, straft, maßregelt, mindert Beiträge, verschleppt Vorgänge, verhindert Anträge.

Die Fronten sind also klar markiert. Und natürlich dürfte auch hier im Prinzip scharf geschossen werden. Aber tun Sie es besser nicht. Denn bereits Generationen redlicher Bürger haben sich an den Sturköpfen im Staatsdienst die Zähne ausgebissen. Sparen Sie Ihre Kräfte und nutzen Sie sanftere Methoden. Denn der Staat hat ja auch ein Herz für Langschläfer und Öffnungszeiten bis zwölf Uhr. Das heißt für den Langschläfer: Kurz nach Öffnung jedes Amt meiden, kurz vor Schluss die Bude stürmen. Auch hier lohnt es sich, Gleichgesinnte zu aktivieren und in Massen anzutreten. Da Langschläfer in der Überzahl sind, muss man grundsätzlich annehmen, dass, egal wo man auftaucht, sich wenigstens ein ins Frühaufsteherleben gezwungener Langschläfer befindet – selbst im Staatsdienst. Das sind Ihre Freunde! Das sind diejenigen, die letztlich in Ihrer Behörde für Ihre Rechte kämpfen, für neue Öffnungszeiten plädieren und nur eine breite Basis für Ihre Forderungen bekommen, wenn sie über die Bedürfnisse der Bürger, also auch Ihre Bedürfnisse, berichten. Erst wenn den Staatsdienern klar wird, dass gegen Mittag auf dem Amt viel zu viel los ist und deutlich mehr als am Morgen, wird sich auch hier etwas ändern. Übrigens könnte sich Ihre Warte- und Bearbeitungszeit im Vergleich zum Morgentermin auch verkürzen, denn da der Frühaufsteher im Staatsdienst möglichst pünktlich seine Mittagspause antreten will, wird er Sie kurz davor nicht mehr mit komplizierten Fragen triezen.

Nun gibt es leider Langschläfer, die in die missliche Lage geraten sind, Hartz IV zu beziehen, und man muss Kürzungen befürchten, wenn man nicht zu gewissen Zeiten antritt. Aber auch hier gibt es



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